Wortlager / Markus Kutter
 
     

     
 
 
 
 

6. Europa zeigt Flagge

Von Hans Domizlaff (1892-1971), dem führenden deutschen Markentechniker der Zwischenkriegszeit, erschien 1932 eine Schrift über Staatssymbole, in der zu lesen war: „Ein Staat kann nicht auf ein alleingültiges, psychologisch wirksames Hoheitssymbol verzichten. Ohne eine allgemein verehrte Flagge sind alle weiteren Propaganda-Mittel und alle materiellen Hilfen zur Erreichung einer innerhalb der heutigen Welt lebensfähigen Volksgemeinschaft zur Hoffnungslosigkeit verdammt.“ Die Geschichte beweise zur Genüge, schrieb er, „dass eine Gemeinschafts-Idee – die für jede politische innere Propaganda einer Staatsgewalt notwendig ist – ohne Symbolik als sichtbare Dokumentierung der organischen Gemeinsamkeit unwirksam bleibt“.

Dass solche Überlegungen vorwiegend in Deutschland gemacht wurden, hatte seinen Grund darin, dass nach dem Zusammenbruch des deutschen Kaiserreiches die Republik von Weimar in ihren Hoheitszeichen unsicher war. Kaiserliche Symbole wie der Reichsadler waren noch immer zu sehen, ebenso galt die aus den preussischen Farben schwarz und weiss entwickelte und um das Rot aus einer Flottenflagge ergänzte schwarz-weiss-rote Reichsflagge weiterhin, aber es gab auch Bestrebungen, die eine schwarz-rot-goldene Fahne in Erinnerung an 1848 und die vorausgegangenen republikanischen Bewegungen propagierte. Andere wollten, dass das Zeichen des Eisernen Kreuzes auf den staatlichen Hoheitszeichen in Erscheinung trete – auf jeden Fall fehlten im Vergleich zu Frankreich eine verbindliche Farbenkombination oder im Vergleich zur Schweiz ein klares Symbol wie das weisse Kreuz im roten Feld. (Domizlaff schrieb ausführlich darüber, weshalb grafische Zeichen wesentlich stärker wirken mussten als blosse trikolore Farbkombinationen; die grösste Flaggenbegeisterung herrsche ja bekanntlich in den USA und in Brasilien, und das seien Fahnen mit sogar besonders komplizierten grafischen Zeichen.)

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© 2004 Markus Kutter Nach Oben zurückweiter