Wortlager / Markus Kutter
 
     

     
 
 
 
 

Veränderungen

An der Stadthausgasse, die quer zum unteren Teil des Basler Marktplatzes führt, befindet sich seit eh und je ein Geschäft, das Handschuhe verkauft. Ich habe seit Jahrzehnten keine Handschuhe mehr gekauft und auch keine mehr getragen, ausgenommen die aus Wolle gestrickten, wenn es einmal in den Bergen bitterkalt wird. Aber wie ich wieder einmal am Schaufenster dieses Handschuhladens vorbeiging, fiel es mir ein:

Als ich kurz nach Kriegsende die Rekrutenschule machte, trugen der Herr Hauptmann und die Herren Leutnants alle noch Handschuhe. Sogar wir Studenten leisteten uns gelegentlich Handschuhe; es waren die Situationen, in denen man etwas Wichtiges oder Würdevolles darzustellen gedachte. Mitte der fünfziger Jahre vermittelte ich ein Gespräch zwischen Edgar Salin, dem Basler Professor für Nationalökonomie und Soziologie, und Carl Koechlin, dem Präsidenten der Firma Geigy. Und ich sehe noch heute die rötlich-gelben Handschuhe aus Peccari-Leder, die Salin trug, als er das Verwaltungsgebäude betrat. Die Geste, mit der ein Mann seine Handschuhe anzog, mit der er sie wieder auszog oder dann beide gefalteten Handschuhe in die blosse Hand nahm, hatte fast immer, ob man das wollte oder nicht, einen symbolischen Charakter.

Und heute? Männliche Wesen tragen Handschuhe eigentlich fast nur noch, um sich gegen Kälte oder Schmutz zu schützen, aber mit Handschuhen irgend etwas symbolisieren zu wollen, macht wenig Sinn. Etwas hat sich verändert, aber was ist es genau, das sich verändert hat? Der Lebensstil, die Mode, die Selbstinszenierung, die Ordnung der Zugehörigkeit?

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© 2004 Markus Kutter Nach Oben